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Trauer, Eintrag 3: Abschied im Elternhaus

Aktualisiert: 1. Okt.

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Teil III


Das Verdrängen ist tückisch.

Ich dachte, ich hätte alles im Griff. Ich dachte, ich komme klar. Doch heute, auf dem Weg zu dir, ins Elternhaus, traf mich der Schmerz mit voller Wucht: die Erinnerungen, die unausgesprochenen Worte, der Verlust…


Ich parke vor dem Haus und sehe die Tür, an der du noch vor kurzem standest, mich mit deinem Lächeln begrüßt hast. Jetzt sind die Rollos unten. Kein Leben. Nur Leere. Nur Verlust.


Ich sitze im Auto, lasse die Tränen fließen, lasse mich treiben, lasse den Schmerz kommen. Dann steige ich aus, drehe den Schlüssel im Schloss, trete ein. Die Tür schließt sich hinter mir – und obwohl ich weiß, dass du nicht mehr da bist, höre ich mich sagen:


„Mama… hallo… ich bin’s.“


Keine Antwort. Nur Stille.

Im Flur stehen deine Hausschuhe. Ich gehe weiter in die Küche, wo wir so oft zusammensaßen – bei Kaffee, beim Lachen, manchmal auch im Streit. Auf dem Tisch finde ich einen Einkaufszettel von dir. Das Kalenderblatt zeigt den 12. Juni – nur einen Tag, bevor ich dich ins Krankenhaus gebracht habe.


Im Wohnzimmer liegt die aufgeschlagene Fernsehzeitschrift, ebenfalls auf den 12. Juni. An diesem Abend warst du noch bei mir. Ich habe dich nach Hause gefahren – und du hast dich auf einen ruhigen Abend vor dem Fernseher gefreut.


Überall im Haus finde ich noch Spuren von dir. In allem bist du mir so nah – und doch bist du fort, nur ein Häufchen Asche in einer Urne. Das kann doch nicht sein.


Jetzt sitze ich in deinem Sessel. Ich spüre dich, fühle dich – und wieder höre ich mich sagen:


„Mama… Mama…“


Ich dachte, ich hätte alles im Griff.

Aber nein… ich habe mich geirrt.

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